„Beschlüsse können auch…

…wieder aufgehoben werden”, erklärte der bündnisgrüne Fraktionsvorsitzende Cornelius Bechtler, als er auf den 2010er BVV-Beschluss zum Erhalt der Seniorenfreizeitstätte Stille Straße hingewiesen wurde.
So geschehen auf jener Pressekonferenz im März, auf der SPD und Grüne den von ihnen veränderten Entwurf des Haushaltes für die Jahre 2012/2013 vorstellten.
Im Gegensatz zu den dort zurückgenommenen Schließungen von Kultureinrichtungen, hatte die Aufgabe der Senioren-
einrichtung auch in dem rot-grünen, kurz darauf von der Bezirksverordnetenversammlung mehrheitlich verabschiedeten Haushaltsplan Bestand.

„Beschlüsse können auch wieder aufgehoben werden” – an diesen Satz hätte sich Bechtlers Co-Vorsitzende Daniela Billig erinnern sollen, als sie der BVV den überaus vernünftigen Vorschlag unterbreitete, den Antrag betreffs der Zukunft der Begegnungsstätte Stille Straße 10 in den Ausschüssen zu beraten zu lassen. Denn damit, dass sie von vornherein eine Rücknahme der Schließung ausschloss, versperrte sie den Weg zu der wohl einzig gangbaren Lösung.

Keine wertlose „Hülle“

Die Bemerkung des SPD-Bezirksverordneten Matthias Böttcher, das Haus sei doch nur eine Hülle, wichtig sei aber der Inhalt, kann man – je nach Gemütslage – als herzlos oder weltfremd bezeichnen. Auf alle Fälle scheint sie symptomatisch zu sein. Denn nicht wenige politisch Verantwortliche des Bezirks sehen in der Causa Stille Straße offenbar vor allem ein technisch-logistisches Problem: Wo kriegt man welche Kurse unter?
Als ginge es bloß darum, die Senioren einmal in der Woche sechzig Minuten malen oder dreißig Minuten Gymnastik betreiben zu lassen.

Der „Inhalt“ ist zu allererst die über viele Jahre gewachsene Gemeinschaft der Sechzig- bis über Neunzigjährigen, aus der heraus die vielfältigen Aktivitäten wie Kurse, Arbeitsgemeinschaften etc. erst entstanden sind. Das Haus ist also mitnichten eine wertlose Hülle: Es ist die Klammer, die Behausung. Und: einen alten Baum verpflanzt man nicht – zumindest das sollte der auch nicht mehr ganz junge Sozialdemokrat eigentlich wissen.

Die Begründung für die Aufgabe der Begegnungsstätte war schon bei der Verkündung der Schließungsabsicht absurd. Sie ist danach nicht einleuchtender geworden. Bei der Umarbeitung des Haushaltsentwurfes sind Beträge in Millionenhöhe umgeschichtet worden. Dass bei diesem Batzen nicht die Krumen von jährlich 53.000 Euro freigemacht werden könnten, ist eine Legende.

Den Bezirk nicht der Lächerlichkeit preisgeben

Die betroffenen Senioren – das zeigte sich am vergangenen Mittwoch erneut – lassen sich jedenfalls keine Märchen erzählen. Und sie werden weiter für den Erhalt des ihres zweiten Zuhauses kämpfen. Erst kürzlich hatten sie angekündigt, das Haus notfalls auch zu besetzen.
Siebzig, achtzig, neunzig Jahre alte Hausbesetzer – womöglich von der Polizei vom Grundstück getragen – das wären Fotos und Nachrichten, die nicht nur in Berlin, nicht nur in Deutschland Beachtung fänden.

Mögen die politisch Verantwortlichen eine Lösung finden, die es ihnen ermöglicht, den Bezirk, dessen Einwohner und sich selbst nicht vor aller Welt der Lächerlichkeit preiszugeben.

Den Weg zur einer Lösung hatte der grüne Fraktionsvorsitzende Cornelius Bechtler ja schon im März postuliert:

„Beschlüsse können auch wieder aufgehoben werden.”

 

 

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